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STEIN & PARTNER erstreiten Leitsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs

Der u.a. für die Rechtsanwalts- und Steuerberaterhaftung zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 29.06.2023 (IX ZR 56/22) seine Rechtsprechung zur Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des zwischen Rechtsanwalt und Mandant geschlossenen Mandatsvertrags weiterentwickelt. Die Entscheidung dürfte für die Praxis von hoher Relevanz sein und auch für andere Berater (insbesondere Steuerberater) Bedeutung haben.

Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die durch unsere Kanzlei vertretenen Geschäftsführer einer insolventen GmbH & Co. KG wurden von dem Insolvenzverwalter der KG wegen verbotener Zahlungen nach Insolvenzreife gemäß § 130a HGB a.F. (jetzt: § 15b InsO n.F.) persönlich in Anspruch genommen. Es kam zum Abschluss eines Vergleichs. In Höhe des Vergleichsbetrags verlangten die Geschäftsführer von dem früheren Rechtsanwalt der KG Schadensersatz mit dem Argument, der Rechtsanwalt habe seine Beratungspflichten im Hinblick auf die bestehende Insolvenzreife der KG verletzt und sie (die Geschäftsführer) seien in den Schutzbereich des mit der KG geschlossenen Mandatsvertrags einbezogen gewesen. Diese Schadensersatzansprüche traten sie an eine Vermögensverwaltungsgesellschaft ab, welche die Ansprüche – wiederum vertreten durch unsere Kanzlei – zunächst gegenüber dem Rechtsanwalt und – nachdem der Rechtsanwalt selbst in Insolvenz gefallen war – nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG gegenüber der Haftpflichtversicherung des Rechtsanwalts geltend machte.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts auf die Berufung der beklagten Haftpflichtversicherung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Haftung des Rechtsanwalts unter dem Gesichtspunkt des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter komme bei einer bloßen Verletzung nebenvertraglicher Hinweis- und Warnpflichten nicht in Betracht. Auf die zugelassene Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dabei stellte er klar, dass die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des zwischen Rechtsanwalt und Mandant geschlossenen Mandatsvertrags nicht allein deshalb ausgeschlossen ist, weil dem Rechtsanwalt im Verhältnis zum Mandanten nur eine Nebenpflichtverletzung zur Last fällt (1. Leitsatz). Weiter stellte er klar, dass die nebenvertraglichen Hinweis- und Warnpflichten des Rechtsanwalts bei einem möglichen Insolvenzgrund Drittschutz für die Geschäftsführer der Mandantin entfalten können. Voraussetzung sei ein Näheverhältnis zu der nach dem Mandatsvertrag geschuldeten Hauptleistung (2. Leitsatz). Ein solches Näheverhältnis scheide aus, wenn der Rechtsanwalt nur mit der Durchsetzung eines Anspruchs beauftragt sei oder eine rechtliche Gestaltung unabhängig von einer wirtschaftlichen Krise der Mandantin vornehmen solle (Rn. 21). Anders liege der Fall dagegen, wenn die Mandantin den Rechtsanwalt mit der Beurteilung oder Bearbeitung einer Krisensituation beauftrage und sich dieser zur ordnungsgemäßen Erbringung der geschuldeten Hauptleistungspflicht mit der Krise der Mandantin befassen müsse (Rn. 22 f.). Schließlich stellte der Bundesgerichtshof klar, dass auch ein faktischer Geschäftsführer, also jemand, der nicht formal als Geschäftsführer bestellt und in das Handelsregister eingetragen ist, sich aber im Außenverhältnis wie ein Geschäftsführer verhält, in den Schutzbereich des Mandatsvertrags einbezogen sein kann (3. Leitsatz).

Da das Oberlandesgericht – aus seiner Sicht konsequent – insbesondere die Frage einer Nebenpflichtverletzung offengelassen hatte, war der Bundesgerichtshof an einer eigenen Sachentscheidung gehindert und musste die Sache zurückverweisen. Das Oberlandesgericht hat nun die Sache unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Vorgaben erneut zu entscheiden.

Rechtsanwalt Dr. jur. Nils Ahrens