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Verzicht auf NRW-Soforthilfe 2020

Schon seit Längerem beschäftigt die facettenreiche Verwaltungspraxis rund um die Corona-Hilfen die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Auch die „NRW-Soforthilfe 2020“ ist bereits Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen. So entschied das OVG Münster mit Urteil vom 17.03.2023 (4 A 1986/22), dass jeder Empfänger einer Soforthilfezuwendung in Nordrhein-Westfalen darauf vertrauen konnte, dass er auch im Nachhinein keine Mittel zurückzuzahlen habe, die er während des Bewilligungszeitraums berechtigterweise zur Milderung der finanziellen Notlage oder zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen verwendete. Eine weitere relevante Entscheidung zur „NRW-Soforthilfe 2020“ erging Anfang 2024 mit einem Gerichtsbescheid des VG Düsseldorf (20 K 9408/23). In jener Entscheidung setzte sich das Gericht mit dem Verzicht auf die „NRW-Soforthilfe 2020“ auseinander und bestätigte im Ergebnis die Verwaltungspraxis der Bezirksregierung Köln, bei einem erklärten Verzicht die Soforthilfen zurückzufordern.

I. Die „NRW-Soforthilfe 2020“ und der Verzicht im sog. Rückmeldeformular

Durch das Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ konnten Unternehmen und Selbstständige im Jahr 2020 eine einmalige Pauschale zur Milderung der finanziellen Notlage des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbstständigen und zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen erhalten. Die Bewilligung derartiger Hilfen erfolgte durch einen vorläufigen Bewilligungsbescheid (vgl. hierzu OVG Münster, Urteil vom 17.03.2023, 4 A 1986/22). Im Anschluss erfolgte eine sog. Rückmeldung des Liquiditätsengpasses über ein vorgefertigtes Rückmeldeformular. In dem Rückmeldeformular fand sich ein Feld mit der Überschrift „1. Verzicht auf die NRW-Soforthilfe 2020“. Der Text zu diesem Feld lautete:

„Im Förderzeitraum hatte ich keinen Liquiditätsengpass i. S. d. Förderbedingungen und erkläre deshalb unwiderruflich, dass ich die mit dem Bewilligungsbescheid gewährte Soforthilfe (einschließlich fiktiven Unternehmerlohn) nicht in Anspruch nehme. Die Förderpauschale habe ich bereits vollständig zurücküberwiesen oder werde sie noch vollständig zurückzahlen.“

Auf Grundlage dieser Verzichtserklärung erlässt die Bezirksregierung Köln Feststellungs- und Erstattungsbescheide. In diesen stellt sie fest, dass der Bewilligungsbescheid aufgrund des Verzichtes im Rückmeldeformular gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG NRW erledigt sei und daher eine Rückforderung über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch erfolgen müsse. Mit Urteil vom 21.04.2023 entschied das VG Düsseldorf (20 K 7640/22), dass die Erklärung im Rückmeldeformular unzweideutig dahingehend zu verstehen sei, dass auf die Rechtsposition aus dem Bewilligungsbescheid verzichtet wurde. Während der Streit- und Rechtsstand dieser Entscheidung nicht primär die Verzichtserklärung war, erging am 06.02.2024 ein Gerichtsbescheid der gleichen Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (20 K 9408/23), in dem sich das Gericht ausführlich mit dem Verzicht auseinandersetzte. Auch in dieser Entscheidung hielt das Gericht fest, dass die Erklärung unzweideutig dahingehend zu verstehen sei, dass auf die Rechtsposition, die durch den Bewilligungsbescheid vermittelt wird, rechtswirksam verzichtet wurde.

Diese Entscheidungen sind für manche Empfänger der „NRW-Soforthilfe 2020“ überraschend. Wie bei den anderen Corona-Hilfen auch, besteht eine verschachtelte Rechtslage, die für Laien nur schwer verständlich ist. Daher liegt es auf der Hand, dass beim Ankreuzen des Verzichtfeldes gar kein Verzicht erklärt werden sollte oder dessen Bedeutung nichtzutreffend erkannt werden konnte. Es mehren sich daher Anfragen, ob ein derartiger Verzicht rechtlich überhaupt zulässig sei.

II. Das verwaltungsrechtliche Institut des Verzichtes

Der Verzicht ist als eigenständiges verwaltungsrechtliches Rechtsinstitut im öffentlichen Recht weitgehend anerkannt (siehe hierzu und zum Folgenden Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Auflage 2023, § 53 Rn. 29 ff.). Durch den Verzicht kann der Erklärende auf eine konkrete Rechtsposition verzichten, mit der Folge, dass ihm diese „verloren“ geht. Der Verzicht wird durch die sog. Verzichtserklärung, eine einseitige Willenserklärung, herbeigeführt. Diese ist als empfangsbedürftige Willenserklärung nach den §§ 133, 157 BGB auszulegen.

Das OVG Münster legt für die Annahme eines Verzichtes bzw. für dessen Auslegung einen strengen Maßstab an und fordert, dass der Verzicht eindeutig, unzweifelhaft und unmissverständlich ist und die Bedeutung der Tragweite dem Erklärenden bewusst gewesen sein muss (OVG Münster, Beschluss vom 14.12.2020, 4 A 1992/16, GewArch 2021, 195 f.). Das Gericht betont, dass die auszulegende Erklärung nicht isoliert betrachtet werden dürfe, sondern der Kontext, insbesondere der rechtliche Rahmen und die übrigen Umstände, zu berücksichtigen seien (OVG Münster, Beschluss vom 14.12.2020, a. a. O.).

Diesbezüglich fällt auf, dass sich das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinen Entscheidungen zur „NRW-Soforthilfe 2020“ hingegen auf die isolierte Textbetrachtung fokussiert. Es bleibt daher abzuwarten, ob andere Verwaltungsgerichte dem VG Düsseldorf folgen werden.

III. Was Betroffene nun tun sollten

Unternehmen und Selbstständige, die eine derartige Verzichtserklärung im Rückmeldeformular angekreuzt haben und nun mit einer Rückforderung der „NRW-Soforthilfe 2020“ konfrontiert sind, sollten zunächst einmal prüfen, ob die Verzichtserklärung in ihrem konkreten Fall wirksam ist. Eine Verzichtserklärung unterliegt nämlich der Anfechtung und kann zudem nur vom jeweiligen Rechtsinhaber erklärt werden (Sachs, a. a. O., Rn. 35). Darüber hinaus sollten die Betroffenen abwägen, ob sie ausgehend von der Rechtsprechung des VG Düsseldorf nicht gegen den Verzicht vorgehen oder aber ob sie dieser Rechtsprechung und dem Feststellungs- und Erstattungsbescheid entgegentreten und Klage erheben möchten.

Sollten Sie weitergehende Fragen zur „NRW-Soforthilfe 2020“ oder zu anderen Corona-Hilfen haben, kontaktieren Sie uns gerne.

Dr. Dr. Malte Seyffarth