Entschädigungsansprüche aufgrund von Maßnahmen nach der Corona-Schutzverordnung?
15.05.2020

Entschädigungsansprüche aufgrund von Maßnahmen nach der Corona-Schutzverordnung?

 

Durch die Corona-Schutzverordnung in ihren verschiedenen, sich kontinuierlich ändernden (aktuell Stand 11.05.2020) Fassungen des Landes NRW werden den Bürgern erhebliche Einschränkungen auferlegt. Diese greifen massiv in verschiedene Grundrechte ein. Sie führen zu erheblichen Schäden bei Betroffenen. Bund und Länder haben sich bemüht, diese durch Fördermaßnahmen abzufedern. Die Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahmen wie z. B. Betriebsschließungen können durch die Verwaltungsgerichte überprüft werden. Dies ist in diversen Fällen geschehen. Soweit ersichtlich wurde die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen bislang überwiegend von den Gerichten bejaht. Vor dem Hintergrund der bei den Betroffenen eintretenden erheblichen Schäden stellt sich gleichwohl die Frage, ob Entschädigungsansprüche bestehen. Die durch die Corona-Pandemie eingetretene Sachlage ist neu. Rechtlich sind viele hierdurch aufgeworfenen Probleme ungeklärt und umstritten. Das Infektionsschutzgesetz sieht verschiedene Ansprüche für Geschädigte vor, die von Maßnahmen nach diesem Gesetz betroffen sind. Die Corona-Schutzverordnung beruht auf diesem Gesetz. Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz scheiden gleichwohl aus. Diese bestehen für „Ausscheider, Ansteckungsverdächtige, Krankheitsverdächtige oder sonstige Träger von Krankheitserregern“. Kennzeichnend für die ganz überwiegende Zahl der Betroffenen ist jedoch gerade, dass sie nicht infizierte Krankheitsträger sind. Vielmehr soll eine Infektion durch die auferlegten Beschränkungen gerade vermieden werden. In Betracht kommt eine analoge Anwendung der Vorschriften des IfSG. Hiergegen spricht jedoch, dass der Gesetzgeber bewusst nur bestimmte Entschädigungstatbestände geregelt hat. Es wird daher überlegt, ob den Betroffenen aufgrund dieser Inanspruchnahme als „Nichtstörer“ Ansprüche zustehen. Dies ist in § 39 des Ordnungsbehördengesetzes Nordrhein-Westfalen vorgesehen. Es bleibt abzuwarten, wie dies von den Gerichten letztlich beurteilt wird. Es sprechen jedoch erhebliche Gründe gegen die Bejahung solcher Ansprüche. Der Gesetzgeber ist bei Erlass des Infektionsschutzgesetzes davon ausgegangen, dass die Regelungen des Gesetzes im Wesentlichen abschließend sind. Ansprüche nach den Allgemeinen Regelungen des Ordnungsbehördengesetzes scheiden damit aus. Der Bundesgerichtshof hat in der Vergangenheit ebenfalls einen Rückgriff auf die allgemeinen ordnungsbehördlichen Regelungen verneint. Diskutiert wird daher, ob den Betroffenen Ansprüche aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff zustehen. Eine Entschädigung aus enteignendem Eingriff setzt eine Beeinträchtigung einer grundrechtlich geschützten (Art. 14 GG) Eigentumsposition durch Nebenfolgen an sich rechtmäßigen Verwaltungshandelns voraus. Außerdem muss den Betroffenen ein Sonderopfer auferlegt werden. Zweifelhaft ist bereits, ob ein Eingriff in eine solche Eigentumsposition vorliegt, da durch die Regelungen der Corona-Schutzverordnung jedenfalls keine sächlichen Betriebsmittel oder den Inhabern zustehende Ansprüche entzogen werden. Zweifelhaft ist zudem, ob ihnen ein Sonderopfer abverlangt wird, da sich die Maßnahmen nicht gegen einzelne Unternehmen richten. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff bestehen bei rechtswidrigem Verwaltungshandeln. Voraussetzung wäre also, dass z. B. Ladenschließungen oder andere Maßnahmen rechtswidrig wären, wovon die Verwaltungsgerichte jedoch überwiegend nicht ausgehen. Letztlich bestehen auch die gegen Ansprüche aus enteignendem Eingriff geschilderten Bedenken. Außerdem kommt ein Rückgriff auf die gesetzlich nicht geregelten Rechtsinstitute nicht in Betracht, soweit gesetzliche Regelungen bestehen. Wie oben ausgeführt, bestehen gesetzliche Regelungen.

Die komplexe Problemlage kann hier nur grob skizziert werden. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zu den aufgeworfenen Fragen positionieren wird. Die Aussichten für die Betroffenen sind jedoch nicht gut.

 

Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Schidlowski

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