Arbeitsrecht 05/2016
02.09.2016

Arbeitsrecht 05/2016

 

Gesetzesentwurf zur Neuregelung von Leiharbeit und Werkverträgen

Das Bundeskabinett hat am 01.06.2016 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und andere Gesetze beschlossen (AÜG-E). Die Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage sind wesentlich. Der Gesetzgeber beabsichtigt, Leiharbeiter auf ihre Kernfunktion hin zu orientieren und dem Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen entgegen zu wirken.

 

I. Definition der Arbeitnehmerüberlassung

Das Gesetz wird in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) eine Definition der Arbeitnehmerüberlassung erhalten: Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen.

Für den Vertrag zwischen Ver- und Entleiher bestimmt der Entwurf zur Änderung des AÜG: Wenn der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung einander widersprechen, ist für die rechtliche Einordnung des Vertrages die tatsächliche Durchführung maßgeblich (§ 12 Abs. 1 AÜG-E).

 

II. Verbot der Kettenüberlassung

Die Kettenüberlassung, also die Überlassung von Arbeitnehmern, die bereits von einem anderen Verleiher entliehen worden sind, soll künftig verboten werden (§ 1 Abs. 1 S. 3 AÜG-E). Eine solche Kettenüberlassung stellt für den Ver- und Entleiher eine Ordnungswidrigkeit dar. Allerdings kommt ein Arbeitsverhältnis zum End-Entleiher alleine wegen der Kettenüberlassung nicht zustande.

 

III. Verbot der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung

§ 1 Abs. 1 S. 5 des von der Bundesregierung geschlossenen Gesetzesentwurfes bestimmt nun, dass Verleiher und Entleiher die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen haben. Hierdurch soll verhindert werden, dass mit sog. Vorratserlaubnis gearbeitet wird. Ein Verstoß gegen die vorstehende Verpflichtung soll als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt sein.

 

IV. Zeitliche Höchstdauer für die Arbeitnehmerüberlassung

Gem. § 1 b) AÜG-E darf der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate demselben Entleiher überlassen. Bei schon vorangegangenen Überlassungen desselben Arbeitnehmers erfolgt eine Anrechnung des Überlassungszeitraumes, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen. Allerdings kann hiervon in Tarifverträgen der Einsatzbranche (also der Zeitarbeitsbranche) eine abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden.

Bei Überschreiten der Überlassungshöchstdauer soll das Arbeitsverhältnis künftig auf den Entleiher übergehen, wenn nicht der Leiharbeitnehmer schriftlich widerspricht. Zudem ist die Überschreitung der Überlassungshöchstdauer bußgeldbewehrt.

 

V. Equal Pay

Gem. § 8 Abs. 1 AÜG-E sollen Leiharbeitnehmer grundsätzlich nach 9 Monaten Einsatz bei einem Entleiher einen Anspruch auf den gleichen Lohn wie vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers haben. Hierzu zählen auch Urlaubsgeld, Entgeltfortzahlung, Sonderzahlung, Zulagen, Zuschläge sowie vermögenswirksame Leistungen. Hiervon kann nur durch Branchenzuschlagstarifverträge der Zeitarbeitsbranche abgewichen werden, soweit die Zuschläge spätestens nach 6 Wochen einsetzen (§ 8 Abs. 4 Nr. 2 AÜG-E). Zudem müssen Zuschlagstarifverträge sicherstellen, dass spätestens nach 15 Monaten ein Lohn erreicht wird, der von den Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Lohn der Einsatzbranche festgelegt wird.

 

VI. Streikeinsatzverbot

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass der Entleiher Leiharbeitnehmer auch während eines unmittelbaren Arbeitskampfes in seinem Betrieb tätig werden lassen darf, soweit er sicherstellt, dass diese keine Tätigkeiten von Arbeitnehmern übernehmen, die sich im Arbeitskampf befinden oder die Tätigkeiten von Arbeitnehmern, die sich im Arbeitskampf befinden, übernommen haben.

Dementsprechend sind von diesem Verbot nicht erfasst die Konstellationen, in denen Leiharbeitnehmer, die bereits vor Beginn des Arbeitskampfes im Entleiherbetrieb tätig waren, während des Arbeitskampfes ihre bisherige Tätigkeit fortführen. Gleiches gilt für erst nach Beginn des Arbeitskampfes hinzugekommene Leiharbeitnehmer, deren Tätigkeit mit denen der am Arbeitskampf beteiligten Arbeitnehmern nichts zu tun hat.

 

VII. Mitbestimmungsrechtliche Schwellenwerte

Der Entwurf stellt nunmehr in § 14 Abs. 2 AÜG-E klar, dass Leiharbeitnehmer bei gesetzlichen Schwellenwerten grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Für die betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerte – mit Ausnahme des § 112 a BetrVG – galt dies schon lange aufgrund der Rechtsprechung des BAG. Nunmehr gilt dies auch bei unternehmensmitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerten, allerdings nur dann, wenn die Gesamtdauer der Entleihung 6 Monate übersteigt.


Resümee:
Da davon auszugehen ist, dass der nunmehr vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzesentwurf Gesetzeskraft erlangen wird, sind die Änderungen ab Inkrafttreten des Gesetzes zwingend zu beachten.

Sollten Sie Fragen haben oder sollten Zweifel hinsichtlich der ein oder anderen Gesetzesänderungen bestehen, stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne beratend zur Verfügung.

Rechtsanwalt Dr. jur. Wolfgang Leister
Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

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