NRW Citizens’ Energy Act – consequences of the Act for project developers
I. Überblick zum BürgEnG
Das Gesetz über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an der Windenergienutzung in Nordrhein-Westfalen (Bürgerenergiegesetz NRW – BürgEnG) ist am 20. Dezember 2023 in Kraft getreten.
Ziel des Gesetzes ist es, die Akzeptanz von Einwohnerinnen und Einwohnern sowie Gemeinden für den Bau und Betrieb von Windenergieanlangen (WEA) im Gemeindegebiet zu steigern. Dies soll durch die finanzielle Beteiligung der beteiligungsberechtigten Personen sowie Gemeinden an dem Ertrag des Vorhabens geschehen.
Eine ähnliche Regelung findet sich bereits in der bundesrechtlichen Regelung des § 6 EEG. Auf diese Vorschrift verweist das BürgEnG an einigen Stellen. Der Unterschied zur Bundesregelung liegt darin, dass es sich bei § 6 EEG um eine sogenannte Soll-Vorschrift handelt. Demnach ist die finanzielle Beteiligung der beteiligungsberechtigten Gemeinden nicht verpflichtend geregelt. Des Weiteren umfasst die Norm lediglich Gemeinden in ihrem Anwendungsbereich. Einwohnerinnen und Einwohner sind hingegen nicht erfasst.
Das BürgEnG gilt nur für Vorhaben, für die ab Inkrafttreten des Gesetzes die immissionsschutzrechtliche Genehmigung beantragt wurde. Folglich besteht keine nachträgliche Beteiligungspflicht für Bestandsanlagen. Eine Beteiligungspflicht besteht jedoch, wenn die Vorhabenträger bereits Gewinne an kommunale Eigentümer ausschütten. Entscheidend für die Anwendbarkeit des BürgEnG ist die räumliche Betroffenheit (weitere Regelungen zum Anwendungsbereich in § 2 BürgEnG). Die bereits vorhandene kommunale Gesellschaftsbeteiligung kann jedoch in der Beteiligungsvereinbarung berücksichtigt werden.
II. Folgen für den Vorhabensträger
Das BürgEnG sieht für die Vorhabensträger einen dreistufigen Aufbau vor. Der Regelfall ist die Erarbeitung einer Beteiligungsvereinbarung (§§ 4 und 7 BürgEnG). Sollte der Vorhabensträger diesen Pflichten nicht vorschriftsgemäß nachkommen, sind Formen der Ersatzbeteiligung geregelt (§ 8 BürgEnG). Für den Fall, dass sich der Vorhabensträger auch diesbezüglich pflichtwidrig verhält, muss er eine Ausgleichsabgabe zahlen (§ 9 BürgEnG).
1. Beteiligungsentwurf und Beteiligungsvereinbarung
Zunächst trifft den Vorhabensträger eine Informationspflicht dahingehend, dass er innerhalb eines Monats die zuständige Behörde über den Erhalt der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach §§ 4 oder 16b BImSchG zu informieren hat. Zuständige Behörde im Sinne des BürgEnG ist die Bezirksregierung Arnsberg.
Daraufhin tritt der Vorhabenträger in einen Austausch mit den beteiligungsberechtigten Gemeinden, um hierauf basierend den Entwurf einer Beteiligungsvereinbarung zu erarbeiten. Der sogenannte „frühzeitige Austausch“ soll nach Einreichung des vollständigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrags, spätestens jedoch bis einen Monat nach Erhalt der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erfolgen.
Der darauffolgende Beteiligungsentwurf ist den sogenannten „Standortgemeinden“ bis spätestens sechs Monate nach Erhalt der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vorzulegen. Zudem ist der Beteiligungsentwurf der zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Einreichung bei den Standortgemeinden vorzulegen.
Die Standortgemeinde hat im Folgenden drei Monate Zeit, um eine etwaige Zustimmung, Ablehnung oder Änderungsvorschläge an den Vorhabensträger zu richten.
Der Beteiligungsentwurf dient als Grundlage für die Verhandlungen zwischen dem Vorhabensträger und den Standortgemeinden über die finanzielle Beteiligung der beteiligungsberechtigten Personen und Gemeinden am Ertrag des Vorhabens. Ziel der Verhandlungen ist es, eine Beteiligungsvereinbarung zu vereinbaren. Diese ist der zuständigen Behörde innerhalb eines Jahres nach Erhalt der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nachzuweisen. Die Beteiligungsvereinbarung soll ab Inbetriebnahme der ersten Windenergieanlage wirksam werden.
Der Inhalt der Beteiligungsvereinbarung soll finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten für die Beteiligungsberechtigten im Sinne des BürgEnG vorsehen, welche den örtlichen Gegebenheiten und Wünschen bestmöglich Rechnung tragen. Gemäß § 7 Absatz 2 BürgEnG kann sich der Inhalt der Vereinbarung nach dem § 6 EEG richten. Im Absatz 3 der Norm sind zudem Beispiele für eine direkte und indirekte finanzielle Beteiligung aufgelistet.
Um eine zielführende Beteiligungsvereinbarung zu gewährleisten, stellt die Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate Leitfäden und diverse Beratungsangebote zur Verfügung.
2. Ersatzbeteiligung und Nachrangdarlehen
Sollte der Vorhabensträger der zuständigen Behörde die Beteiligungsvereinbarung nicht fristgemäß nachweisen, ist er verpflichtet, den beteiligungsberechtigten Personen ein Angebot zur finanziellen Beteiligung zu machen. Die konkreten Modalitäten dieses Angebotes sind in § 8 Absatz 1 BürgEnG geregelt (jährliche Zahlung von 0,2 Cent pro Kilowattstunde über 20 Jahre).
Darüber hinaus muss der Vorhabensträger eine Offerte für eine Eigenkapitalbeteiligung in Form eines Nachrangdarlehens an die beteiligungsberechtigten Personen abgeben. Dies hat spätestens bis zur Inbetriebnahme der ersten Windenergieanlage zu erfolgen. In § 8 Absatz 3 bis 6 sind die Anforderungen an das zu offerierende Nachrangdarlehen geregelt. Das Beteiligungsvolumen am Nachrangdarlehen ist auf mindestens 90 000 Euro je Megawatt installierter Leistung je Vorhaben festgeschrieben. Die Mindestanlagesumme für die beteiligungsberechtigten Personen ist auf maximal 500 Euro begrenzt. Das Nachrangdarlehen ist vorschriftsgemäß zu verzinsen und hat eine Laufzeit von zehn Jahren. Die Offerte des Vorhabensträgers für eine Eigenkapitalbeteiligung in Form eines Nachrangdarlehens hat eine Wirksamkeit von drei Monaten. Beginn und Ende der Beteiligungsmöglichkeit legt dabei der Vorhabensträger fest. Die Offerte wird von der zuständigen Behörde auf der Transparenzplattform veröffentlicht. Demnach muss die Offerte mindestens einen Monat vor Beginn der Beteiligungsmöglichkeit der Behörde mitgeteilt werden.
Bei der Transparenzplattform handelt es sich um einen einzigartigen Mechanismus unter den Vorschriften zur Bürgerbeteiligung beim Ausbau erneuerbarer Energien. Die Plattform soll dazu beitragen, die Akzeptanz der Bevölkerung zu steigern sowie die Verhandlungsposition von Standortgemeinden gegenüber den Vorhabensträgern durch mehr Vergleichbarkeit zu steigern (IKEM, Juristische Studie zu Regelungsoptionen für eine verbesserte Bürgerbeteiligung am EE-Ausbau auf Bundesebene, 2024, S. 8)
3. Ausgleichsabgabe
Für den Fall, dass der Vorhabensträger einer Ersatzbeteiligung für Standortgemeinden und beteiligungsberechtigte Personen nach § 8 Absatz 1 und 2 BürgEnG nicht nachkommt, kann er von der zuständigen Behörde auf Antrag der beteiligungsberechtigten Gemeinden zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe an diese verpflichtet werden. Die Ausgleichsabgabe beträgt 0,8 Cent pro Kilowattstunde für die eingespeiste Strommenge. Die Zahlungspflicht beginnt ab dem Zeitpunkt, ab dem der Vorhabensträger seiner Verpflichtung zur Ersatzbeteiligung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt, und endet sobald er diese Verpflichtungen erfüllt, spätestens jedoch nach 20 Jahren ab Inbetriebnahme der ersten Anlage (§ 9 Absatz 2 BürgEnG).
III. Weitere Regelungen des BürgEnG
Neu im BürgEnG ist nicht nur die Einführung einer Transparenzplattform, sondern auch die Regelung einer verpflichtenden Mittelverwendung durch die Gemeinden (§ 10 BürgEnG). Demnach müssen die Gemeinden Mittel aus der Ersatzbeteiligung oder der Ausgleichsabgabe zur Steigerung der Akzeptanz für Windenergieanlagen bei ihren Einwohnerinnen und Einwohnern einsetzen. § 10 BürgEnG zählt einige Maßnahmen auf, welche zur Erreichung dieses Zwecks geeignet sind. Die Mittelverwendung zugunsten von akzeptanzsteigernden Maßnahmen in Bezug auf Windenergie durch das BürgEnG ist nicht mehr als bloße Empfehlung, sondern vielmehr als Zweckvorgabe ausgestaltet ist (IKEM, Juristische Studie zu Regelungsoptionen für eine verbesserte Bürgerbeteiligung am EE-Ausbau auf Bundesebene, S. 7).
IV. Kritik am BürgEnG
Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens gab es Kritik am BürgEnG. Die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW), sprach sich dafür aus, dass es keiner landeseigenen Regelung sowie keinem verpflichtenden Beteiligungsmodell bedarf. Begründet hat sie ihre Position mit der Gefahr der Entstehung eines Flickenteppichs. Demnach befürwortete sie eine Überarbeitung des § 6 EEG und mithin die Schaffung bundeseinheitlicher Regelungen.
Zudem seien gesetzlich verpflichtende Modelle mit einem hohen organisatorischen Aufwand verbunden, wodurch der Realisierungsprozess etwaiger WEA weiter verkompliziert und verlängert werde (Stellungnahme zum Bürgerenergiegesetz NRW, Landesgruppe Nordrhein-Westfalen BDEW, 23.10.2024, S.3 ff.).
An dieser Stelle sei angemerkt, dass eine verpflichtende Beteiligungsregelung grundlegend mit der Verfassung vereinbar ist (BVerfG, Beschl. V. 23.3.2022 – 1 BvR 1187/17).
Was zunächst dem Gesetzeszweck des BürgEnG Rechnung zu tragen scheint, könnte sich als nachteilige Regelung herausstellen. Denn die Konzeption der Erarbeitung einer Beteiligungsvereinbarung durch einen „frühzeitigen Austausch“ und die Erstellung eines vorherigen Beteiligungsentwurfes könnte durchaus unpraktikabel sein und die Gefahr eines langwierigen Prozesses bergen. Ein Beitrag zur vielzitierten Entbürokratisierung ist das Gesetz nicht. Einerseits bemüht sich der (Bundes)Gesetzgeber um die einfachere und schnellere Zulassung von Windenergieanlagen (siehe § 245 e BauGB und das Windenergieflächenbedarfsgesetz). Andererseits erschwert der Landesgesetzgeber Zulassung und Betrieb.
Ein weiterer Umstand gefährdet die Erreichung des Gesetzeszwecks, mehr Akzeptanz bei Einwohnerinnen und Einwohnern für den Bau und den Betrieb von Windenergieanlagen zu schaffen. Es besteht die Gefahr, dass die Interessen von Einwohnerinnen und Einwohnern nicht hinreichend berücksichtigt werden, da diese nur über ihre kommunalen Vertreter eingebracht werden können. Offen bleibt ohnehin, was der Gesetzgeber unter Akzeptanz versteht und ob dies durch die im Gesetz vorgesehene Beteiligung überhaupt erreicht werden kann. Letztlich besteht beim BürgEnG die Gefahr, dass die Ersatzbeteiligung zum Regelfall wird. So können sowohl der Vorhabensträger als auch die Standortgemeinde nicht auf eine Einigung über die Beteiligungsvereinbarung hinwirken oder aber etwaige Fristen verstreichen lassen (IKEM, Juristische Studie zu Regelungsoptionen für eine verbesserte Bürgerbeteiligung am EE-Ausbau auf Bundesebene, S. 52 f..
Ein Bericht der Landesregierung über die Erfahrungen mit dem BürgEnG, insbesondere dessen Auswirkungen auf die Akzeptanz für den weiteren Windenergieausbau in der Bevölkerung, ist für den 31.12.2026 vorgesehen, danach alle drei Jahre (§ 14 BürgEnG).