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Maria Rast ist ein gigantisches Anwesen: Inklusive Haupthaus, ehemaliger Turnhalle und Kapelle kommt das Gebäude auf rund 2400 Quadratmeter Arbeitsfläche. (Foto: Dagmar Meyer-Roeger)

Die Aachener Zeitung berichtet:

Geheimdienstzentrale und altes Kloster

„Wo Arbeiten Spaß macht“ – Teil 5 unserer Serie: Wieder gibt es spannende Einblicke und überraschende Geschichten. Dieses Mal haben wir Maria Rast, das Welthaus an der Schanz und die Kirche St. Alfons besucht.

VON SABINE KROY

Aachen. Drei markante Immobilien:Eine kennt jede Öcherin und jeder Öcher vom Vorbeigehen oder -fahren, nämlich das eindrucksvolle Welthaus an der Schanz, das präsent und unübersehbar neben dem gleichnamigen Bahnhof liegt, für die zweite muss man schon die Zollernstraße, den Adalbertsteinweg oder die Wilhelmstraße verlassen und in die Tiefen des – wie es offiziell heißt – Gasborn-Suermondtviertels vordringen. Und für das abgelegene Anwesen Nummer drei gilt: Hier kommt unter Garantie niemand mal eben so vorbei. Ausgeschlossen! Völlig unmöglich!

Dabei ist es allemal mehr als einen Blick wert: Der Eberburgweg oder Diepenbenden wird den meisten noch etwas sagen, aber haben Sie schon mal vom Grindelweg (klingt ein wenig nach Harry Potter) oder vom Tönnesrather Weg (hat nichts mit dem Wurstfabrikanten zu tun, der heißt „Tönnies“) gehört?

Natürlich wurden diese Straßen, die zu unserem Objekt der Begierde führen, nach ehemaligen Aachener Pfalzen benannt, und zwar dem Landgut Tönnesrath und dem Hofe Grindel. Und dann? Ist man immer noch nicht angekommen, denn der Weg führt über eine rund 350Meter lange Privatstraße durch den nach englischem Vorbild geplanten Park zum Bischof-Hemmerle-Weg 9. Und dann? Kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Doch beginnen wir erst einmal mit dem früheren Gotteshaus.

Das Kloster St. Alfons: Mal was anderes: Der eine Besprechungsraum heißt „Apsis“, der andere „Kapelle“, ein dritter „Chor“. Ist aber ganz logisch, denn wir befinden uns in der ehemaligen Klosteranlage St. Alfons, die U-förmig im Jahr 1865 für den Redemptoristenorden erbaut wurde. Die vollständige Zerstörung im Zweiten Weltkrieg führte zu einem veränderten Wiederaufbau der Kirche mit flach gedeckten Seitenschiffen.

Und in eben diesen Seitenschiffen sitzen heute – sogar auf zwei Ebenen – die Mitarbeitenden der Firma BET Consulting, die Beratung für die Transformation der Energiewirtschaft anbietet. Bereits im Jahr 2005 wurde St. Alfons außer Dienst gestellt, anschließend profaniert und von einem privaten Investor gekauft.

BET-Geschäftsführer Alexander Kox

Daran erinnert heute natürlich nichts mehr, obwohl große Teile des einstigen Sakralbaus unter Denkmalschutz stehen. Als „Ankermieter“ für das Gros der Klosterfläche holte sich der Investor das Aachener Energieberatungsunternehmen ins Boot, das Wünsche äußern und so den neuen Firmensitz nach eigenem Gusto mitgestalten konnte. Entstanden ist ein moderner Bürokomplex mit allen technischen Raffinessen im mehr als 150 Jahre alten steinernen Umhang der heiligen Ordensgemeinschaft. „Der Wow-Effekt geht leider im Alltag verloren“, gesteht BET-Geschäftsführer Kox, fügt aber hinzu, dass die Reaktion der Gäste immer wieder spannend zu beobachten sei. Der Besucher findet im Mittelschiff einen Aufenthalts- und Pausenbereich, von dem die Büros in den Seitenschiffen zu erreichen sind. Und Glas, ganz viel Glas. Denn über dem baulichen Konzept schwebt, abgesehen von den Lichtkränzen, ein Wort: Offenheit. „Wir leben von der Verzahnung, und dieser Ort fördert diese natürlich“, betont Alexander Kox.

Doch diese Hallen haben auch ihre Tücken, um es ganz genau zu benennen: Es ist der Schall. „Hier wurde eine Nachhallzeit von acht Sekunden gemessen“, berichtet BET-Marketingmanager Heico Dörrig. Deswegen hängen vor Glasflächen schallabsorbierende Folien, und Holztüren, -treppen sowie -schränke sind perforiert, um die Geräusche zu schlucken. Anders wäre ein Arbeiten in diesem einzigartigen Bürojuwel gar nicht möglich, möglich, möglich, möglich…

Edgar Stein, Stein & Partner Rechtsanwälte

Das Welthaus an der Schanz: Es steht genau auf dem Fleckchen Erde, das früher die alte „Lütticher Schanze“ beherbergte: Damals gab es das Jakobstor weiter oben und das Vaalsertor weiter unten. Aber der Höhenunterschied ermöglichte es den „Angreifern“, einfach über die Stadtmauer zu schießen. Deswegen wurde dieses Dreieck noch mal besonders gesichert, und zwar mit der einzigen Zwingeranlage der äußeren Stadtmauer, errichtet in der Zeit zwischen 1300 und 1350, abgerissen im späten 18. bis frühen 19. Jahrhundert. Nachdem David Hirsch 1838 die erste Taubstummenanstalt im Rheinland mit drei Schülern gegründet hatte, konnte mithilfe von Spenden an dieser Stelle ein Backstein- Schulgebäude gebaut und im Jahr 1863 bezogen werden – leider überlebte es den Zweiten Weltkrieg nicht, sodass die Immobilie heute ein „Neubau“ aus den 50er Jahren ist. In dem komplett unter Denkmalschutz stehenden Objekt ist heute das Welthaus beheimatet, bis 1979 war es Sitz der Gehörlosenschule. Im Inneren sind die Schmiedearbeiten der Treppengeländer und Durchgänge (sogar mit Pinguinen), das pompöse halbrunde Treppenhaus sowie die beeindruckende alte Aula die Highlights.

Im Außenbereich natürlich der verwunschene Garten mit uralter Linde und üppiger Magnolie – garniert mit der regelmäßigen Sprachdurchsagen der Bahn. Schließlich grenzt der Bahnhof Schanz direkt an das Grundstück. „Wir haben uns damals bewusst für dieses Haus entschieden, weil es alles zu bieten hatte, was wir wollten: viele Räume in unterschiedlichen Größen mit Aula und Hof als Gemeinschaftsflächen“, erläutert Birgitta Hollmann vom Vorstand des Welthauses die Suche nach einer neuen Heimat im Jahr 1995.

Und heute noch gerät sie ins Schwärmen, wenn sie das Haus mit der Adresse „An der Schanz 1“ betritt und vom „fanatischen Lichtspiel im Treppenhaus“ begrüßt wird. Natalie Eisfelder kann sich indes nicht am Garten, an der Natur direkt vor dem Bürofenster sattsehen:

Meint die Geschäftsführerin des Welthauses, die für alle Interessierten zum 30. Geburtstag des Einzuges am 22. November übrigens die Türen öffnet. Auf dem Programm stehen Kultur, Essen, Musik, Tanz und Kabarett. Und Birgitta Hollmann verspricht: „Da lassen wir es mal richtig krachen!“

Maria Rast: Das imposante und herrschaftliche Haus wurde 1903 mitten im Quellgebiet der Wurm als Landsitz des Barons von Luttitz gebaut. Wohlgemerkt: nur als Landsitz, denn eigentlich residierte die adelige Familie in der Friedrichstraße, aber auch nur bis 1914. Nach dem Ersten Weltkrieg war dort, im Aachener Süden, – man höre und staune – die Geheimdienstzentrale der belgischen und französischen Besatzungsmacht angesiedelt, ab 1929 wurde das stattliche Objekt als Lazarett genutzt.

Die Geschichte des Hauses setzt sich wechselhaft fort: mal von den Besatzungstruppen beschlagnahmt, mal Auffanglager. Bis im Jahr 1964 das Bistum Aachen das Anwesen erwarb und die Immobilie auf ihren heutigen Namen, Maria Rast, getauft und eingesegnet wurde. 2008 entschieden sich die Kanzleien Stein & Partner Rechtsanwälte sowie Schaps Steuerberater für den Kauf dieses einmaligen Hauses im englischen Landhausstil und zogen mit Sack und Pack und Aktenordnern im Jahr 2009 ein. Unter bestimmten Vertragsbedingungen, die sich an den Dogmen der katholischen Kirche orientieren. Arbeitsfläche wurde nicht nur im altehrwürdigen Haupthaus geschaffen – dort befanden sich im ersten Obergeschoss übrigens früher die Schlafkammern der Priester –, sondern auch in der vom Bistum errichteten Turnhalle, in der bis heute ein Basketballkorb hängt. Selbst die Kapelle mit dem sehenswerten Bleiglasfenster des weltberühmten Alsdorfer Künstlers Ludwig Schaffrath erfuhr eine „Nutzungsänderung“: Sie wurde entweiht und dient heute als Fachbibliothek. Das warme Rot der Kapellenbalken wurde als „roter Faden“ für die Optik des Gesamtensembles übernommen. „Das ist ein wunderbares Arbeiten in einem wunderbaren Objekt mit tollem Umfeld“, beschreibt Rechtsanwalt Frank Neuß den Kanzleisitz. Und Steuerberater Jochen Schaps geht auf die Einbettung in die Natur ein: „Hier anzukommen, bedeutet: runterzukommen.“ Auch auf die Mandanten wirke die friedliche Atmosphäre ein, so Jurist Edgar Stein: „Nicht nur für uns selbst ist die Ruhe hier unbezahlbar, auch für unsere Arbeit, die viele Konfliktthemen beinhaltet.“ Eine Wellnessoase als Arbeitsplatz – wo gibt es das ein zweites Mal?!?


Der Artikel ist auch hier online bei der Aachener Zeitung zu finden:

https://www.aachener-zeitung.de/lokales/region-aachen/aachen/besondere-bueros-geheimdienstzentrale-ehemaliges-kloster-und-alte-gehoerlosenschule/93984475.html