Neue Feststellungsbescheide
zum Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen 2022
Seit Dezember 2024 müssen allen Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen (NRW) neue Feststellungsbescheide zum Krankenhausplan NRW 2022 zugegangen sein – so jedenfalls die Ankündigung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW (MAGS NRW) zum Zeitplan der Umsetzung der neuen Krankenhausplanung (Umsetzung der neuen Krankenhausplanung für NRW im Zeitplan (MAGS NRW) – abgerufen am 03.01.2024).
Den Krankenhäusern verbleibt nicht allzu viel Zeit, sich auf die jeweiligen Feststellungsbescheide und deren Folgen einzustellen. Die Feststellungsbescheide sollen nach der Ankündigung des Ministeriums grundsätzlich am 1. April 2025 in Kraft treten. Unabhängig hiervon verbleibt den Krankenhäusern lediglich eine einmonatige Klagefrist, um bei rechtlichen Problemen Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten in Anspruch zu nehmen. Für die jeweiligen Krankenhäuser ist es daher sinnvoll, sich mit dem Rechtsrahmen der Krankenhausplanung und dem diesbezüglichen Rechtsschutz jedenfalls in ihren elementaren Grundzügen vertraut zu machen, um Störgefühle bei den Feststellungsbescheiden rechtssicher einordnen und Rechtsschutzmöglichkeiten bewerten zu können.
I. Bundesrechtlicher Ausgangspunkt der Krankenhausplanung
Planungen sind eine vielschichtige und komplexe Handlungsform der Verwaltung. Dies gilt auch für die Krankenhausplanung. Die Krankenhausplanung verbindet zugleich die Bundes- mit der Landesebene.
Auf Bundesebene ist das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) der zentrale Ausgangspunkt der Krankenhausplanung. In dem Gesetz sind vor allem die Grundsätze der Investitionsförderung geregelt. § 8 Abs. 1 Satz 1 KHG bestimmt, dass die Krankenhäuser nach Maßgabe des KHG einen Anspruch auf Förderung haben, soweit und solange sie in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind. Hierdurch wird die Krankenhausfinanzierung mit der Krankenhausstrukturierung rechtlich verknüpft.
Weiter heißt es in § 8 Abs. 1 Satz 3 KHG, dass die Aufnahme oder Nichtaufnahme in den Krankenhausplan durch Bescheid festgestellt wird (Feststellungsbescheid). Hierin manifestiert sich die bei der Krankenhausplanung maßgebliche Unterscheidung nach zwei Handlungs- und Entscheidungsebenen: dem Krankenhausplan und den Feststellungsbescheiden (Stollmann, in: Huster/Kaltenborn, Krankenhausrecht, 2. Auflage 2017, § 4 Rn. 10).
Der Krankenhausplan hat lediglich die Wirkung einer innerdienstlichen Weisung und ist damit anders als der Feststellungsbescheid kein Verwaltungsakt (Stollmann, a. a. O., Rn. 13, 39). Dies hat zur Folge, dass der Krankenhausplan als ein Verwaltungsinternum nicht gerichtlich angegriffen und überprüft werden kann (hierzu und zum Folgenden Württemberger, in: BeckOK KHR, Stand: 15.09.2024, § 6 KHG Rn. 9). Dies gilt auch für eine mittelbare Überprüfung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens gegen den Feststellungsbescheid.
Gemäß § 6 Abs. 1 KHG stellen die Länder zur Verwirklichung der in § 1 genannten Ziele die Krankenhauspläne auf. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat zum Inhalt von Krankenhausplänen bereits eine gefestigte Rechtsprechung aufgestellt:
„Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß die Krankenhausbedarfspläne im wesentlichen folgenden Inhalt haben müssen:
(a) Eine Krankenhauszielplanung, die im Rahmen des durch die Vorschriften des Krankenhausfinanzierungsgesetzes begrenzten Gestaltungsspielraumes die Ziele festlegt, auf deren Verwirklichung der Plan ausgerichtet ist.
(b) Eine Bedarfsanalyse, die eine Beschreibung des zu versorgenden Bedarfs der Bevölkerung enthält.
(c) Eine Krankenhausanalyse, die eine Beschreibung der Versorgungsbedingungen bei den in den Plan aufgenommenen Krankenhäusern enthält.
(d) Die Festlegung der durch die späteren Feststellungsbescheide zutreffenden (eigentlichen) Versorgungsentscheidung darüber, mitwelchen Krankenhäusern der festgestellte Bedarf der Bevölkerung versorgt werden soll.“ (BVerwG, Urteil vom 25.07.1985, 3 C 25/84)
II. Landesrechtliche Vorgaben in NRW zum Krankenhausplan und den Feststellungsbescheiden
Die Regelungen des KHG legen nur die Grundzüge der Planung fest, zentrales Steuerungsinstrument sind die durch die Länder festgelegten Krankenhauspläne (Württemberger, a. a. O., § 6 Rn. 5).
In § 6 Abs. 4 KHG wird daher konsequenterweise festgelegt, dass das Nähere zur Krankenhausplanung durch Landesrecht bestimmt wird. Auf Landesebene in NRW ist das Krankenhausgestaltungsgesetz NRW (KHGG NRW) zentraler Ausgangspunkt der Krankenhausplanung.
In § 12 Abs. 1 Satz 1 KHGG NRW ist festgelegt, dass das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium einen Krankenhausplan gemäß § 6 KHG aufstellt. Zugleich werden die weiteren Bestandteile des Krankenhausplanes auf Landesebene festgelegt: In § 12 Abs. 2 Satz 2 KHGG NRW ist geregelt, dass der Krankenhausplan aus den Rahmenvorgaben und den regionalen Planungskonzepten besteht.
Eine besondere und zentrale Bedeutung hat § 12 Abs. 3 KHGG NRW. Er ist Kristallisationspunkt eines neuen und innovativen Weges in der Krankenhausplanung, den NRW einschlägt (hierzu und zum Folgenden Stollmann/Lafontaine, in: PdK NW H-10, KHGG NRW, Stand: November 2022, § 12 Ziffer 5): Um die Krankenhausplanung künftig von der Bettenzahl weitgehend zu lösen, ist eine Planung anhand medizinischer Leistungsbereiche und Leistungsgruppen vorgesehen. In § 12 Abs. 3 Satz 1 KHGG NRW heißt es wörtlich:
„Die Aufstellung und Fortschreibung des Krankenhausplans erfolgt auf der Grundlage von Leistungsbereichen und Leistungsgruppen.“
Wurde der neue Weg NRWs im Bereich „Krankenhausplanung“ durch diese Gesetzesänderung bereits gesetzlich geebnet, ist das Land den Weg im Jahr 2022 planerisch vorangeschritten und hat einen neuen Krankenhausplan aufgestellt:
„Mit der vorliegenden Krankenhausplanung wird ein Planungssystem eingeführt, das bundesweit einmalig ist.„
(Krankenhausplan NRW 2022, S. 17; Krankenhausplan NRW (MAGS NRW) – abgerufen am 03.01.2024).
Die vom Ministerium angekündigten Feststellungsbescheide sind damit die ersten Bescheide, die zu einer derartigen neuen Krankenhausplanung ergehen. Es liegt auf der Hand, dass sich hierdurch für die Krankenhäuser neue und anders gelagerte organisatorische Fragen für die künftige Krankenhausstrukturierung ergeben. Die Feststellungsbescheide haben damit eine besondere, über die übliche Bedeutung hinausgehende Funktion: Sie sind wichtige Schnittstelle für gesetzgeberische und planerische Neuheiten auf der einen und der hierauf bezogenen faktischen Umstrukturierung der jeweiligen Krankenhäuser auf der anderen Seite. Die Feststellungsbescheide sind mit anderen Worten Kristallisationspunkt der Praxistauglichkeit dieser und künftiger Krankenhausplanungen, die sich von der Bettenkapazität lösen und die durch die Leistungsbereiche und Leistungsgruppen eine neue Planungssystematik etablieren (hierzu Stollmann/Lafontaine, a. a. O.).
Neben den organisatorischen, fachspezifischen und wirtschaftlichen Fragestellungen, die sich für die Krankenhäuser nun ergeben, insbesondere, ob und inwieweit eine derartige Krankenhausplanung erfolgversprechend und zielführend umgesetzt werden kann, stellen sich künftig neue Rechtsfragen – oder: es stellen sich alte Rechtsfragen neu. Dies hängt vor allem mit dem Rechtsschutz gegen die Feststellungsbescheide zusammen.
III. Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Feststellungsbescheide
Möchte sich ein Krankenhaus gegen einen Feststellungsbescheid wehren, so sind hierfür die Verwaltungsgerichte zuständig: § 8 Abs. 1 Satz 4 KHG bestimmt, dass gegen die Feststellungsbescheide der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Da die Feststellungsbescheide Verwaltungsakte sind, unterliegen sie den gängigen Klagearten der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Welche Klage einschlägig ist, hängt davon ab, ob eine Aufnahme in den Krankenhausplan oder eine Herausnahme aus dem Krankenhausplan in Streit steht (hierzu und zum Folgenden Württemberger, a. a. O., § 8 KHG Rn. 59, 61): Begehrt das Krankenhaus die Aufnahme in den Krankenhausplan, so ist die statthafte Klageart die Verpflichtungsklage. Wendet sich das Krankenhaus hingegen gegen eine Herausnahme aus dem Krankenhausplan, so kommt die Anfechtungsklage in Betracht.
Grundsätzlich hat eine Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies würde bezogen auf die Krankenhausplanung und den Feststellungsbescheid bedeuten, dass die Herausnahme aus einem Krankenhausplan nicht vollzogen werden kann, solange das verwaltungsgerichtliche Verfahren über die Anfechtungsklage läuft oder die aufschiebende Wirkung nicht gemäß § 80 Abs. 2 VwGO entfällt. Allerdings ist NRW auch an dieser Stelle einen Sonderweg im Krankenhausplanungsrecht gegangen: In § 16 Abs. 5 KHGG NRW ist geregelt, dass Rechtsbehelfe gegen einen Feststellungsbescheid keine aufschiebende Wirkung haben. Es handelt sich hierbei um eine Bestimmung i. S. d. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Regelung findet sich im KHGG in dieser Form erst seit 2023. Die Bestimmung wurde dergestalt angepasst, dass die aufschiebende Wirkung bei sämtlichen Rechtsbehelfen und nicht nur bei Rechtsbehelfen eines Dritten entfällt (Gesetz- und Verordnungsblatt [GV.NRW.] Ausgabe 2023 Nr. 36 vom 15.12.2023, S. 1275 ff.). Diese nicht unumstrittene Regelung (siehe hierzu Wißmann, Sachverständigenstellungnahme, Stellungnahme 18/993, A01, A10, 1. November 2023, S. 3) hat praktisch weitreichende Folgen, da sie dazu führen könnte, dass den Krankenhäusern praktisch keine Umsetzungsfrist verbleibt. Um dem entgegenzuwirken, hat das Ministerium angekündigt, dass die Feststellungsbescheide erst am 1. April 2025 in Kraft treten sollen.
Bei der Frage nach verbleibender Umsetzungszeit stellt sich zudem ein praxisrelevantes Auslegungsproblem: Folgt eine Umsetzungsfrist aus § 16 Abs. 3 Satz 1 KHGG NRW (hierzu Penner, Krankenhausplanung NRW, LinkedIn 12. Mai 2024 – abgerufen am 17.12.2024)? Dort ist geregelt, dass der Versorgungsauftrag gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 6 innerhalb von 12 Monaten nach Bekanntgabe des Bescheides umzusetzen ist. § 16 Abs. 1 Nr. 6 KHGG NRW erfasst den Versorgungsauftrag nach Leistungsbereichen und Leistungsgruppen. Es stellt sich die Frage, ob § 16 Abs. 3 Satz 1 KHGG NRW grenzenlos oder nur für den Ausbau von Versorgungsaufträgen und nicht auch für Beschränkungen eines bisherigen Versorgungsauftrages gilt (Penner, a. a. O.; für eine Anwendung auch bei einer Beschränkung: Vollmar/Klein, Krankenhausreform in Nordrhein-Westfalen, Briefing 1. Juli 2024 – abgerufen am 06.01.2025). Die Auslegung und das richtige Verständnis von § 16 Abs. 3 Satz 1 KHGG NRW haben eine besondere Praxisrelevanz, da bei einer restriktiven Auslegung ein besonderer Fokus auf den vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu legen ist.
Auch an dieser Stelle bestehen allerdings aufgrund der Neuartigkeit der Änderungen des KHGG NRW Rechtsunsicherheiten. Denn ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO dürfte in der Praxis eher die Ausnahme sein und daher dürfte wenig einschlägige Rechtsprechung bestehen. Schließlich ist § 16 Abs. 5 KHGG NRW eine besondere nordrheinwestfälische Sonderregelung und eine Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in der Planungspraxis eher unwahrscheinlich (vgl. Stollmann, a. a. O., Rn. 120).
Rechtsunsicherheiten stellen sich aber auch bei dem einstweiligen Rechtsschutz, der im Falle einer Verpflichtungsklage einschlägig wäre. Dieser richtet sich nach § 123 VwGO. Problem hierbei ist allerdings, dass die vorläufige Aufnahme in den Krankenhausplan eine Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten würde, welche im einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO grundsätzlich nicht zulässig ist (hierzu und zum Folgenden Württemberger, a. a. O., § 8 KHG Rn. 78). Ausnahmsweise kann die vorläufige Aufnahme in den Haushaltsplan gerechtfertigt werden, wenn andernfalls die wirtschaftliche Existenz des Krankenhauses gefährdet wäre. An dieser Stelle ist es elementare Aufgabe der Krankenhäuser, genau zu prüfen und zu berechnen, inwieweit eine unterlassene Aufnahme in den Krankenhausplan oder in die jeweiligen Leistungsbereiche und Leistungsgruppen die wirtschaftliche Existenz gefährdet.
IV. Fazit und Handlungsempfehlung
Der neue Krankenhausplan des Landes NRW ist eine besondere, innovative und wichtige Möglichkeit, die Krankenhausstrukturierung und die Patientenversorgung auf ein neues Niveau zu heben. Sie birgt aber zugleich rechtliche Herausforderungen. Die zur Vorbereitung des Krankenhausplans erfolgten Anpassungen des KHGG NRW führen in Kombination mit der neuen Planungsdynamik des Krankenhausplans dazu, dass die bisher in der Praxis etablierten rechtlichen, insbesondere prozessualen Abwehrmöglichkeiten neu zu denken sind. Dies macht es umso dringlicher, dass Krankenhäuser ihren Feststellungsbescheid gründlich prüfen und notfalls Rechtsrat hinzuziehen.