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Vergaberecht aktuell

Keine vergaberechtliche Gleichbehandlung für Unternehmen aus Drittstaaten

Der EuGH hat mit Urteil vom 22. Oktober 2024, Rs. C-652/22, ECLI:EU:C:2024:910 (abrufbar hier: CURIA – Dokumente) entschieden, dass es grundsätzlich Sache des Auftraggebers sei, zu beurteilen, ob Wirtschaftsteilnehmer aus einem Drittland, das keine internationale Übereinkunft mit der Union über die Gewährleistung des gleichen und wechselseitigen Zugangs zu öffentlichen Aufträgen geschlossen hat, zu einem Verfahren für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags zuzulassen sind. Ein vergaberechtlicher Rechtssatz, wonach ein Wirtschaftsbeteiligter aus einem derartigen Drittland einen Anspruch gegen die einzelnen Mitgliedstaaten auf Gleichbehandlung im Vergabeverfahren hat, besteht demnach nicht.

Der Entscheidung des EuGH lag ein Vorabentscheidungsverfahren zugrunde, das der EuGH als unzulässig einstufte. Eingeleitet wurde das Vorabentscheidungsverfahren vom Verwaltungsgericht aus Kroatien. Dort hatte eine Gesellschaft türkischen Rechts geklagt. Sie wendete sich gegen die Vergabe des Baus einer Eisenbahninfrastruktur an eine Bietergemeinschaft, die aus einer Gesellschaft österreichischen Rechts, einer Gesellschaft kroatischen Rechts und einer Gesellschaft des tschechischen Rechtes bestand. Im Rahmen des Vergabeverfahrens hat der öffentliche Auftraggeber bei der Bietergemeinschaft weitere Referenzen angefragt und eine neue Referenz bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Hiergegen wendete sich die Gesellschaft türkischen Rechtes u. a. mit der Argumentation, dass dies gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße. Das kroatische Verwaltungsgericht legte dem EuGH drei hierauf bezogene Vorlagefragen vor.

Der EuGH führte aus, dass die vom kroatischen Verwaltungsgericht vorgelegten Auslegungsfragen zu den vom Unionsgesetzgeber eingeführten Vergabevorschriften (Art. 36 und 76 der Richtlinie 2014/25) nicht erheblich seien, da sich die Gesellschaft türkischen Rechts hierauf nicht berufen könne. Das Gericht bezieht sich diesbezüglich auf Art. 43 der Richtlinie 2014/25:

„Soweit sie durch die Anhänge 3, 4 und 5 sowie die Allgemeinen Anmerkungen zum Anlage I [sic!] der Europäischen Union zum GPA sowie die anderen internationalen für die Union rechtsverbindlichen Übereinkommen erfasst sind, wenden die Auftraggeber im Sinne des Art. 4 Absatz 1 Buchstabe a auf Bauleistungen, Lieferungen, Dienstleistungen und Wirtschaftsteilnehmer aus den Unterzeichnerstaaten dieser Übereinkommen keine ungünstigeren Bedingungen an als auf Bauleistungen, Lieferungen, Dienstleistungen und Wirtschaftsteilnehmer aus der Europäischen Union.“

Gegen diesen Artikel – so das Gericht – würde verstoßen, wenn Wirtschaftsteilnehmern aus Drittländern, die mit der Union bislang keine internationale Übereinkunft geschlossen haben, in den Anwendungsbereich der Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen, die der Unionsgesetzgeber eingeführt habe, um einen unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten, und die zum Grundsatz der Gleichbehandlung gehörten, einbezogen würden. Die Republik Türkei ist ein derartiges Drittland.

Der EuGH entschied ferner, dass ein entsprechender Anspruch auf vergaberechtliche Gleichbehandlung auch nicht durch einen nationalen Rechtsakt geschaffen werden kann. Denn jeder Rechtsakt mit allgemeiner Geltung, der Modalitäten festlege, unter denen die Wirtschaftsteilnehmer eines Drittlandes an Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge in der Union teilnehmen können, könne sich auf den Handel mit Waren und Dienstleistungen zwischen diesem Drittland und der Union auswirken. Die gemeinsame Handelspolitik i. S. v. Art. 207 AEUV falle allerdings gemäß Art. 3 Abs. 1 e) AEUV in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union. Daher sei es Sache des Auftraggebers, zu entscheiden, ob er Wirtschaftsteilnehmern aus Drittländern den Zugang zum Vergabeverfahren eröffnet; der Mitgliedstaat kann dies jedenfalls nicht regeln.

Diese zweite Feststellung des EuGH hat besondere Brisanz, da sie über die Anwendung der Richtlinie 2014/25 hinaus eine Aussage beinhaltet, die auf sog. Drittstaatenklauseln in den Vergaberechtsbestimmungen der jeweiligen Mitgliedstaaten anwendbar ist.

Rechtsanwalt Dr. Dr. Malte Seyffarth